Carlo Cottarelli hat in seinem Berufsleben schon viele Papiere verfasst: Berichte über den britischen Staatshaushalt, Analysen der russischen Wirtschaft, Stellungnahmen zur türkischen Finanzlage. Im September des vergangenen Jahres veröffentlichte Cottarelli, der als Leiter der Abteilung für Finanzpolitik beim Internationalen Währungsfonds (IWF) arbeitet, eine kleine Studie. Sie machte in Fachkreisen schnell die Runde. Titel: »Zahlungsausfälle in entwickelten Volkswirtschaften – Unnötig, unerwünscht und unwahrscheinlich«. These: Die Angst vor Staatspleiten ist unbegründet.
So kann man sich irren. Kein halbes Jahr später bereitet sich Europa auf einen Bankrott Griechenlands vor – und Börsianer spekulieren bereits darüber, wer als Nächstes an der Reihe sein könnte. Portugal? Spanien? Großbritannien? Japan? Die USA? Kenneth Rogoff, Professor für Volkswirtschaft an der Harvard-Universität und Krisenexperte, hält ein ganzes »Bündel« von Staatspleiten für wahrscheinlich. Anleger flüchten aus Angst vor dem großen Crash in Gold und Silber.
Als die führenden Wirtschaftsnationen der G20 im Herbst 2008 beschlossen, die Weltmärkte mit milliardenschweren kreditfinanzierten Rettungspaketen zu stützen, waren sie davon überzeugt, dass sich die Schulden schnell wieder abtragen lassen. Am Freitag kommt die G20 wieder zusammen – und von der alten Zuversicht ist wenig übrig.
Für die globale Konjunktur, die sich gerade aus der Krise kämpft, bedeutet das Alarmstufe Rot. Die Welt hat kaum Erfahrungen mit Staatspleiten. Sie galten in der westlichen Hemisphäre als praktisch ausgerottet. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben die Industriestaaten ihre Schulden immer pünktlich bedient, nur einige Schwellen- und Entwicklungsländer gerieten in Zahlungsnöte.
Bookmarks