Shin Dong-hyuk berichtet: Wie Tausende zur Hinrichtung erscheinen mussten, wie Wärter Faulheit als Grund für das Todesurteil nannten, wie Gewehrschüsse fielen. Das ist seine erste Kindheitserinnerung im Straflager in Nordkorea. Vermutlich war der Junge damals vier Jahre alt.
Geboren wurde er 1983 als Kind zweier Häftlinge im nordkoreanischen Umerziehungslager Camp 14. Vom Tag seiner Geburt an war er ein politischer Gefangener. Von der Welt außerhalb der Stacheldrahtzäune wusste er nichts.
Nun ist er einer der wenigen, der dieser Welt von den nordkoreanischen Lagern erzählen kann. Für die Menschenrechtsorganisation Link reist der heute 31-Jährige mittlerweile durch die USA und Europa - und wurde zudem Hauptfigur einer preisgekrönten Dokumentation: Marc Wieses "Camp 14 - Total Control Zone. In der Hölle Nordkoreas". Nach einer kleinen Kinoauswertung ist der Film jetzt erstmals im Fernsehen zu sehen, an diesem Mittwoch auf Arte.
Shin Dong-hyuk berichtet, wie seine Mutter gehängt und sein Bruder erschossen wurden, weil Shin selbst sie verraten hatte. Er berichtet, wie er zusehen musste, wie seine Klassenkameradin mit Schlägen bestraft und getötet wurde. Erinnerungen wie diese verfolgen den Nordkoreaner bis heute.
Feuerfolter, Schläge, Schmerzen
Bilder aus dem Lager gibt es in dem Dokumentarfilm kaum zu sehen. An einem Ort, an dem Denunziation zum Alltag und der Besitz von fünf gestohlenen Weizenkörnern mit Erschießen bestraft wird, ist auch das Filmen nicht erlaubt. Deswegen wird, was Shin erzählt, durch Comic-Animationen nachgestellt. So kommen auch die Schilderungen von monatelanger Folter, von Schlägen und Schmerzen ohne die Bilder seiner Narben aus.
Der Dokumentarfilmer Wiese lässt dem Zuschauer - und auch Shin - Zeit, das Gesagte zu verarbeiten. Wenn er nach Worten sucht, um zu beschreiben, warum er den Fluchtplan seiner Mutter verraten hat. Wenn er auf der Lippe herumkaut, weil er die Seil- und Wasserfolter schildern soll. Wenn er die Antwort nicht geben kann.
Wenige wacklige Filmaufnahmen aus Nordkorea gibt es doch. Hyuk Kwon hat sie gemacht und sie Wiese zur Verfügung gestellt. Auch er ist aus Nordkorea geflohen. Nur: Er war Wärter im Camp 14. Er habe schlecht geschlafen, er sei erkältet, er schlafe eh wenig, erzählt Hyuk. Dann berichtet er, wie er als 21-jähriger Aufseher ohne Grund auf Gefangene geschossen hat, wie er sie geschlagen hat, und wie er dafür belohnt wurde. "Eigentlich wollte ich das Interview gar nicht geben", sagt er dem Regisseur. Das sei nun das letzte Mal, dass er darüber spricht, fügt er hinzu, kratzt sich am Kopf und raucht.
Dabei müsste noch so viel gesagt werden. Schätzungen zufolge sind derzeit 200.000 Menschen in nordkoreanischen Straflagern interniert. In Shins Heimat.
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